Personen, die in Österreich Asyl oder subsidiären Schutz erhalten haben, können im Ausland lebende Familienangehörige nach Österreich nachholen. Als Familienangehörige gelten in diesem Zusammenhang minderjährige ledige Kinder, Ehegatten bzw. eingetragene PartnerInnen und Eltern von minderjährigen Kindern.
Der Familiennachzug kann von Asylberechtigten sofort nach der rechtskräftigen Anerkennung als Flüchtling, von subsidiär Schutzberechtigten jedoch erst nach einer dreijährigen Wartezeit beantragt werden.
Asylberechtigte, die den Antrag mehr als drei Monate nach der Anerkennung stellen, und subsidiär Schutzberechtigte müssen ausreichende Unterhaltsmittel nachweisen.
Der Antrag auf Familiennachzug muss bei einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland eingebracht werden. Die Vertretungsbehörde leitet den Antrag an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) weiter, welches überprüft, ob eine Zuerkennung von Asyl bzw. subsidiärem Schutz wahrscheinlich ist. Fällt diese Prognoseentscheidung des BFA positiv aus, erhalten die Familienangehörigen von der Vertretungsbehörde ein Visum zur Einreise nach Österreich („Einreisegestattung“).
In Österreich angekommen stellen die Familienangehörigen einen Asylantrag (im Rahmen eines Familienverfahrens). Nach Abschluss des Asylverfahrens wird ihnen derselbe Schutzstatus, den die zusammenführende Person bekommen hat, zuerkannt.
Die gesetzlichen Bestimmungen finden sich im Asylgesetz 2005, §34 (Familienverfahren im Inland), §35 (Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden) und §60 (Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen für Aufenthaltstitel).
Anträge auf Familiennachzug und Prognoseentscheidungen
Die Zahlen zu den Anträgen auf Familiennachzug stammen aus den Detailstatistiken des BFA. Die vierteljährlichen Daten wurden den jeweiligen Quartalsstatistiken entnommen, wobei zu beachten ist, dass diese immer nur vorläufige Daten enthalten, die von den tatsächlichen abweichen können.
2023 wurden 14.032 Anträge auf Familiennachzug gestellt, 2024 im ersten Halbjahr 5.887.
Nach einer positiven Prognoseentscheidung des BFA, dass eine Schutzgewährung wahrscheinlich ist, kann den Familienangehörigen ein Visum zur Einreise nach Österreich ausgestellt werden. Vom BFA wurden 2023 10.642 positive Prognoseentscheidungen abgegeben. 849 Entscheidungen fielen negativ aus. In den ersten sechs Monaten 2024 war das BFA in 5.635 Fällen der Ansicht, dass eine Schutzgewährung wahrscheinlich ist, 554 Anträge wurden abgelehnt.
Sowohl die Anträge auf Familiennachzug als auch die positiven Prognoseentscheidungen gingen im zweiten Quartal 2024 deutlich zurück.
Im Mai 2024 wurden von Bundeskanzler Nehammer strengere Identitätsprüfungen bei Familienangehörigen durch DNA-Test angekündigt. Im Juni wurde vom BMI eine Neuüberprüfung bereits positiv entschiedener Einreiseanträge veranlasst.
Über Familiennachzug wurde in den letzten Jahren vor allem syrischen Staatsangehörigen die Einreise nach Österreich ermöglicht. 2023 entfielen 90 Prozent der positiven Prognoseentscheidungen auf SyrerInnen, 2024 bisher 91 Prozent.
Über 60 Prozent der Personen, die seit 2022 einen Antrag auf Familiennachzug gestellt haben, waren weiblich.
Asylanträge nach Einreisegestattung
Die Zahl der Asylanträge, die über Familiennachzug gestellt wurden, wird in den Asylstatistiken des BMI nicht explizit angegeben. Aus den gesamten Erstasylanträgen abzüglich der originären Anträge und der Anträge für nachgeborene Kinder kann jedoch die die Zahl der Erstasylanträge nach Familiennachzug berechnet werden.
Für 2022 und 2023 liegen Daten aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vor.
2024 wurden bis Ende Juni 6.056 Asylanträge im Rahmen von Familiennachzug gestellt. Das waren 45 Prozent aller Anträge in diesem Jahr. Im Vorjahr lag der Anteil bei 15, 2022 bei 4 Prozent.
Im März und Mai 2024 waren mehr als die Hälfte der Asylanträge solche, die im Rahmen von Familiennachzug eingebracht wurden. Im Juni wurde die die geringste Anzahl Asylansuchen über den Familiennachzug seit einem Jahr verzeichnet.
Für 2024 liegen keine nach Staatsangehörigkeit, Geschlecht oder Alter aufgeschlüsselte Daten zu den Asylanträgen durch Familiennachzug vor.
2023 gab es die mit großem Abstand meisten Asylanträge nach einer Einreisegestattung durch syrische Staatsangehörige.
60 Prozent der Personen, die 2023 einen Asylantrag im Rahmen von Familiennachzug gestellt hatten, waren weiblich. Der Anteil von Minderjährigen lag bei 70 Prozent.
Schutzgewährungen
Es gibt keine öffentlich zugänglichen Daten, wie viele Schutzgewährungen auf Personen entfallen, die über Familiennachzug nach Österreich gekommen sind.
Eine Aufschlüsselung der Schutzgewährungen insgesamt nach Geschlecht und Alter kann aber zumindest Hinweise auf Entwicklungen beim Familiennachzug geben. Häufig sind es zuerst Männer, die allein nach Österreich kommen, und dann Frauen und Kinder nachholen. Quartalsdaten zu den Schutzgewährungen nach Geschlecht und Alter sind bei Eurostat verfügbar, allerdings nur für erstinstanzliche Entscheidungen.
Bis Ende Juni gab es 2024 in Österreich 9.831 Zuerkennungen von Asyl und 4.246 von subsidiärem Schutz. Der Großteil der Schutzgewährungen betraf syrische Staatsangehörige (78 Prozent bei Asyl, 72 Prozent bei subsidiärem Schutz).
Der verstärkte Nachzug von Familienangehörigen spiegelt sich auch in den steigenden Zahlen von Asylanerkennungen für Frauen und Minderjährige wider. Die Gewährungen von subsidiärem Schutz für Frauen und Minderjährige haben hingegen nur geringfügig zugenommen.
Erstinstanzliche Asylgewährungen für Männer sind rückgängig. Bei syrischen Männern ist zu beobachten, dass sie in letzter Zeit in erster Instanz öfter subsidiären Schutz als Asyl erhalten.
Wegen fehlender Quartalsdaten sind Asylgewährungen in zweiter Instanz in den Grafiken nicht dargestellt. Diese haben insbesondere bei männlichen Personen (Erwachsene und Minderjährige) aus Syrien seit 2023 zugenommen (2022: 784 Asylgewährungen, 2023: 1.852; 2024 im ersten Halbjahr bereits 1.690).
Anmerkungen
Die monatlichen Daten zu den Asylanträgen und die vierteljährlichen Zahlen zu Anträgen auf Familiennachzug und Prognoseentscheidungen des BFA wurden den einzelnen vorläufigen Monatsstatistiken des BMI bzw. Quartalstatistiken des BFA entnommen. Nach Veröffentlichung der endgültigen Jahresstatistiken sind diese Monats- bzw. Quartalsstatistiken allerdings nicht mehr auf der Webseite des BMI abrufbar.
Die Zahlen zu den Schutzgewährungen sind bei Eurostat auf Vielfache von 5 gerundet. Es ist zu beachten, dass die Daten von Eurostat und des BMI nicht immer übereinstimmen.