In Österreich wurden 2023 59.232 Asylanträge gestellt. Das waren zwar deutlich weniger als im Vorjahr (112.272 Anträge), dennoch war 2023 nach 2022 und 2015 das Jahr mit den drittmeisten Schutzansuchen in jüngerer Zeit.
Für 2022 und 2023 legt ein nur langsames Ansteigen der Personen in Grundversorgung (ohne UkrainerInnen) und viele Verfahrenseinstellungen allerdings nahe, dass Österreich für eine beträchtliche Anzahl von AsylwerberInnen nur ein Transitland war. Verstärkte Grenzkontrollen führten dazu, dass auch Personen, die eigentlich in ein anderes Land wollten, hier einen Asylantrag stellten, dann aber oft rasch weiterreisten.
56.158 der Asylansuchen waren Erst- und 640 Mehrfachanträge. Die Erstanträge wiederum setzten sich aus 43.549 „originären“ Anträgen, 9.175 Anträgen, die im Rahmen von Familiennachzug gestellt wurden, und 3.434 Anträgen für „nachgeborene“ Kinder zusammen.
74 Prozent der Asylanträge waren originäre Anträge, 15 Prozent Familienzusammenführungen, 6 Prozent nachgeborene Kinder und 5 Prozent Mehrfachanträge. Die Zahl der Anträge über Familiennachzug hat sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.
Erstantrag: erstmalig in Österreich gestellter Asylantrag
Zu den Erstanträgen zählen originäre Anträge (Antrag einer neu, aber nicht im Rahmen von Familiennachzug eingereisten Person), Anträge von Personen, denen im Rahmen von Familiennachzug die Einreise gestattet wurde, und Anträge für nachgeborene Kinder (in Österreich geborene Kinder von AsylwerberInnen und Schutzberechtigten).
Mehrfachantrag: neuerlicher Asylantrag nach einer bereits erfolgten rechtskräftigen Entscheidung
Nach einem markanten Rückgang am Jahresende 2022 nahmen die monatlichen Asylantragszahlen ab März 2023 wieder kontinuierlich zu. Im Oktober 2023 wurden 10.048 Schutzansuchen eingebracht. Im November und Dezember sank dann allerdings die Zahl der Anträge auf nur noch knapp mehr als 2.500. Ursachen für den Rückgang der Asylansuchen dürften Maßnahmen an der serbisch-bulgarischen und ungarisch-serbischen Grenze sowie eine Verlagerung der Migrationsrouten gewesen sein (vgl. ORF.at, 17.12.23).
Trotz der mehr als 59.000 im Jahr 2023 gestellten Asylanträge war die Zahl der GrundversorgungsbezieherInnen ohne Geflüchtete aus der Ukraine am Jahresende nur um knapp 1.000 höher als zu Jahresbeginn. Die wenigsten Personen in Grundversorgung gab es mit 34.235 Anfang Juni, die meisten mit 39.568 Anfang November. Am 1.1.2024 erhielten 38.182 nicht-ukrainische Personen Grundversorgung.
Grundversorgung erhalten AsylwerberInnen, subsidiär Schutzberechtigte, Asylberechtigte bis vier Monate nach der Anerkennung, aus rechtlichen/tatsächlichen Gründen nicht abschiebbare Personen und Vertriebene aus der Ukraine (diese werden hier allerdings nicht berücksichtigt, da sie keine Asylanträge stellen müssen).
Anmerkung: Inklusive der UkrainerInnen lag die Zahl der Personen in Grundversorgung am 1.1.2024 bei 78.834.
Herkunftsstaaten
2023 wurden in Österreich die meisten Asylanträge von syrischen, afghanischen, türkischen und marokkanischen Staatsangehörigen gestellt. Drei Viertel aller AsylwerberInnen kamen aus diesen vier Herkunftsstaaten. Russland war erstmals seit 2020 wieder unter den Top 10 Herkunftsstaaten zu finden. Im Vergleich zum Vorjahr nicht mehr dabei war Tunesien.
77 Prozent der Asylanträge entfielen auf asiatische Herkunftsstaaten (inklusive der Türkei), 19 Prozent auf afrikanische und 3 Prozent auf europäische.
Afghanistan war seit 2008 immer entweder der Herkunftsstaat mit den meisten oder zweitmeisten Asylanträgen in Österreich, Syrien – mit Ausnahme von 2022, wo man an dritter Stelle lag – seit 2014.
Die höchste Zahl an Mehrfachanträgen wurde von afghanischen Staatsangehörigen eingebracht.
In der BMI-Asylstatistik finden sich zwar keine Daten über die Herkunftsstaaten von Personen, die über Familiennachzug einen Asylantrag gestellt haben, nimmt man aber die Zahl der positiven Prognoseentscheidungen des BFA zu den Anträgen auf Familienzusammenführung als Referenz, dürfte die überwiegende Mehrheit von ihnen aus Syrien stammen.
Familienangehörige von Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten müssen an einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen. Nachdem das BFA eine positive Prognoseentscheidung über den Antrag abgegeben hat, kann der Person ein Visum zur Einreise nach Österreich erteilt werden.
Seit Februar 2023 stellten SyrerInnen wieder die größte Zahl an monatlichen Schutzansuchen in Österreich. An zweiter Stelle folgte im September und Oktober erstmals die Türkei. Im Jänner war Marokko der Herkunftsstaat mit den meisten Anträgen auf Asyl gewesen, in der zweiten Jahreshälfte 2022 Indien und Afghanistan.
Am Jahresende war Syrien der einzige Herkunftsstaat mit einer höheren Zahl an Asylansuchen. 1.714 (67 Prozent) der 2.552 im Dezember eingebrachten Anträge entfielen auf syrische Staatsangehörige. Von AfghanInnen, TürkInnen und MarokkanerInnen wurden im November und Dezember im Vergleich zu den Vormonaten nur noch eine geringe Anzahl an Schutzanträgen gestellt.
In der Grundversorgung (ohne UkrainerInnen) bildeten am 1.1.2024 SyrerInnen die mit Abstand größte Gruppe. Den stärksten Anstieg im Vergleich zu Jahresbeginn 2023 gab es bei türkischen GrundversorgungsbezieherInnen. Marokko, der Herkunftsstaat mit den viertmeisten Asylanträgen in diesem Jahr, schien nicht unter den 10 Hauptherkunftsstaaten von Personen in Grundversorgung auf.
Anmerkung: Grundversorgung erhalten AsylwerberInnen, subsidiär Schutzberechtigte, Asylberechtigte bis vier Monate nach der Anerkennung, aus rechtlichen/tatsächlichen Gründen nicht abschiebbare Personen und Vertriebene aus der Ukraine (diese werden hier allerdings nicht berücksichtigt, da sie keine Asylanträge stellen müssen).
Unbegleitete minderjährige Asylsuchende
Der Anteil von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) unter allen AsylwerberInnen lag 2023 bei 8 Prozent. Die meisten Anträge von UMF gab es von Juli bis Oktober. Im November und Dezember hingegen wurden nur noch wenige Asylansuchen von UMF registriert.
Bei den Asylantragszahlen von UMF für 2022 und 2023 ist zu beachten, dass viele von ihnen scheinbar nicht in Österreich geblieben sind. Laut der BFA-Statistik wurden 2022 11.613 und 2023 4.715 Asylverfahren eingestellt, weil die Minderjährigen nicht mehr auffindbar waren.
Von den insgesamt 4.946 unbegleiteten Minderjährigen, die 2023 in Österreich um Asyl angesucht haben, war der Großteil männlich (97 Prozent) und von 14 bis 17 Jahre alt (96 Prozent). 53 Prozent der UMF kamen aus Afghanistan.
Wie schon seit vielen Jahren kam auch 2023 die Mehrheit der unbegleiteten Minderjährigen aus Afghanistan (wobei es aber auch viele Weiterreisen in andere Staaten gab).
Asylsuchende nach Geschlecht und Alter
Der Anteil von weiblichen Schutzsuchenden lag 2023 bei 24 Prozent und war damit wieder höher als im Vorjahr (9 Prozent).
Das Fehlen von legalen Einreisemöglichkeiten für Geflüchtete und die immer gefährlicher werdenden Flucht- und Migrationswege fördern den hohen Anteil männlicher Asylsuchender.
Zwei Drittel der AsylwerberInnen waren Erwachsene, ein Drittel Minderjährige. Von den 39.274 Erwachsenen waren 30.953 unter 35 Jahre alt, 8.321 35 Jahre oder älter. Bei den Minderjährigen waren 9.099 unter 7 Jahre, 4.564 von 7 bis 13 Jahre und 6.295 von 14 bis 17 Jahre alt. 4.946 waren unbegleitete, 11.578 begleitete Minderjährige und 3.434 in Österreich geborene Kinder von AsylwerberInnen und Schutzberechtigten.
Entscheidungen in Asylverfahren
2023 gab es 17.293 rechtskräftige positive Asylentscheidungen, in 8.222 Entscheidungen wurde subsidiärer Schutz und in 1.797 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen ("humanitärer Aufenthaltstitel") zuerkannt.
In der BMI-Asylstatistik wird die Zahl der rechtskräftigen Entscheidungen angegeben. Es ist in einzelnen Fällen möglich, dass es zu einer Person in einem Asylverfahren zwei positive Entscheidungen gibt, z.B. wenn in erster Instanz subsidiärer Schutz, nach einem Beschwerdeverfahren jedoch Asyl zuerkannt wurde.
Bei den Zahlen zu den erteilten humanitären Aufenthaltstiteln sind auch Personen enthalten, die keinen Asylantrag gestellt haben. In der Asylstatistik des BMI wird erst seit 2020 zwischen Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die in oder nach einem Asylverfahren, und solchen, die aus anderen Gründen erteilt wurden, unterschieden.
Anmerkung: 559 Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden 2023 an Personen mit einem Asylantrag vergeben, 1.238 an solche ohne Asylansuchen.
Drei Viertel der positiven Asylbescheide und zwei Drittel der Gewährungen von subsidiärem Schutz gingen 2023 an syrische Staatsangehörige.
2023 wurden insgesamt 31.066 sonstige Entscheidungen getroffen. Besonders bei afghanischen, türkischen und indischen Staatsangehörigen gab es eine hohe Zahl an sonstigen Entscheidungen.
Sonstige Entscheidungen in Asylverfahren sind insbesondere Verfahrenseinstellungen, weil der/die Asylsuchende nicht mehr auffindbar und eine Entscheidung ohne weitere Einvernahme nicht erfolgen kann oder die Person freiwillig ausgereist ist. Die sonstigen Entscheidungen können als ein Indikator dienen, ob viele Personen in andere Staaten weitergereist sind. Die Zahl der tatsächlichen Weiterreisen kann aber durchaus um einiges höher sein, da es sowohl bei noch offenen wie auch bei bereits entschiedenen Verfahren möglich ist, dass sich der/die AntragstellerIn nicht mehr in Österreich aufhält. Zu beachten ist, dass ein Teil der Verfahrenseinstellungen im aktuellen Jahr auf bereits im Vorjahr (bzw. in Vorjahren) gestellte Asylanträge zurückgeht.
Offene Asylverfahren
Mit Stand vom 31.12.2024 waren 38.053 Asylverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Die offenen Verfahren in erster Instanz sind von Ende Oktober des Vorjahres bis Ende Mai 2023 deutlich gesunken, dann bis Ende Oktober wieder angestiegen. Seit November schließlich war erneut ein Rückgang zu beobachten. Die Zahl der in höheren Instanzen noch nicht entschiedenen Asylverfahren nahm seit Jahresbeginn leicht zu. Die meisten der offenen Verfahren betrafen syrische Staatsangehörige.
Anmerkung: Bei den offenen Verfahren in 1. Instanz sind auch jene Verfahren inkludiert, die zwar bereits entschieden, aber noch nicht rechtskräftig sind.
Anmerkungen
Die im Text und in den Grafiken verwendeten Daten stammen aus den Monats- und Jahresstatistiken des BMI (abgerufen am 21.3.2024). Für die Asylanträge nach Herkunftsstaat bis 2022 wurden die von der Statistik Austria veröffentlichten Zahlen herangezogen (wobei der einzige Unterschied zu den BMI-Asylstatistiken darin liegt, dass Staatenlose und Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit getrennt angeführt werden).
In früheren BMI-Statistiken fehlende Daten zu den Anträgen nach Altersgruppe wurden den Asylstatistiken von Eurostat entnommen.
In der BMI-Asylstatistik werden seit 2022 auch Zahlen zu Asylanträgen für in Österreich geborene Kinder von AsylwerberInnen und Schutzberechtigten (in der Statistik als "nachgeborene Kinder" bezeichnet; Daten ab 2021 verfügbar) und Daten über die Zahl der Asylanträge, die weder im Rahmen von Familiennachzug noch für in Österreich geborene Kinder gestellt wurden ("originäre Asylanträge"; Werte in der Asylstatistik ab 2015 verfügbar), angegeben. Fehlende Daten wurden, wenn möglich, berechnet: Familiennachzug = Erstanträge minus "originäre" Anträge minus "nachgeborene" Kinder; Familiennachzug und in Österreich geborene Kinder = Erstanträge minus "originäre" Anträge.
Auf eine Darstellung der in der Asylstatistik des BMI angegebenen Daten zu den negativen Asylentscheidungen wurde hier verzichtet, da diese Daten schwer zu interpretieren sind. In einem Asylverfahren können bis zu drei negative Entscheidungen getroffen werden (Asyl, subsidiärer Schutz, berücksichtigungswürdige Gründe), die in der Statistik einzeln gezählt werden. Die Gesamtzahl der "rechtskräftig negativen Entscheidungen" ist daher wenig aussagekräftig, da sie zu einer Person mehrere negative Entscheidungen enthalten kann. Bei den "rechtskräftig negativen Asylentscheidungen" wiederum sind auch Personen enthalten, denen zwar kein Asyl, aber ein anderer Schutzstatus (subsidiär, humanitär) gewährt wurde, und Asylsuchende, die im Zulassungsverfahren wegen Zuständigkeit eines anderen Staates aufgrund der Dublin-Verordnung zurückgewiesen wurden.
Daten zu den negativen Entscheidungen in erster Instanz (auf Basis der BFA-Statistik und von parlamentarischen Anfragebeantwortungen) sind unter ⇒ Asylentscheidungen 2023 zu finden.