Vorbemerkungen und Definitionen
UNHCR verwendet in seinen Statistiken einen erweiterten Flüchtlingsbegriff, der über jenen der Genfer Flüchtlingskonvention hinausgeht:
Der Begriff Flüchtling umfasst Personen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und dem Protokoll von 1967, der Flüchtlingskonvention der Organisation für Afrikanische Einheit von 1969, der in der Cartagena-Deklaration von 1984 enthaltenen Flüchtlingsdefinition oder nach dem UNHCR-Statut anerkannt wurden, und Personen, die einen komplementären oder temporären Schutzstatus erhalten haben (⇒ Definitionen UNHCR).
Neben den in der Genfer Konvention angeführten Verfolgungsgründe (Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) nennen die Flüchtlingskonvention der Organisation für Afrikanische Einheit und die Cartagena-Deklaration noch andere Gründe für den Erhalt des Flüchtlingsstatus, wie externe Aggression, Besetzung, ernsthafte Störung der öffentlichen Ordnung, generelle Gewalt, interne Konflikte oder massive Menschenrechtsverletzungen.
Komplementären Schutz erhalten Personen, die zwar die Bedingungen für die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllen, deren Leben aber im Fall einer Rückkehr durch internationale und innerstaatliche Konflikte gefährdet wäre, oder ihnen Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde. Ein Beispiel dafür ist der subsidiäre Schutz in den EU-Staaten.
Temporärer Schutz wird meist in Situationen, in denen Staaten mit einer hohen Zahl an Geflüchteten konfrontiert sind, vergeben. Einen solchen Schutzstatus erhalten zum Beispiel UkrainerInnen in den EU-Staaten, SyrerInnen in der Türkei und anderen Nachbarstaaten oder Rohingya aus Myanmar in Bangladesch.
Daneben scheinen in den UNHCR-Statistiken auch noch die Kategorien der „Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen“ (werden oft mit Flüchtlingen zusammengefasst) und der „sonstigen Personen mit Bedarf an internationalem Schutz“ auf.
Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen haben ähnliche Schutzrisiken wie Flüchtlinge, ihnen wurde aber aus praktischen und anderen Gründen kein Flüchtlingsstatus gewährt (⇒ Definitionen UNHCR).
Sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz sind Menschen, die sich außerhalb ihres Herkunftslandes befinden, typischerweise weil sie gewaltsam über internationale Grenzen vertrieben wurden, die nicht unter andere Kategorien (AsylwerberInnen, Flüchtlinge, Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen) fallen, aber vermutlich internationalen Schutz, inklusive Schutz gegen erzwungene Rückkehr, sowie temporär oder längerfristig Zugang zu Basisversorgungsleistungen bedürfen (⇒ Definitionen UNHCR). Die Kategorie wurde 2021 in den UNHCR-Statistiken als „Venezuelans Displaced Abroad“ eingeführt und enthält Daten ab 2018. Auch wenn sie mittlerweile in „Other people in need of international protection“ umbenannt wurde, umfasst sie weiterhin nur Personen aus Venezuela.
Eine Sonderstellung nehmen Palästina-Flüchtlinge unter UNRWA-Mandat ein:
Palästinensische Flüchtlinge unter Mandat von UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) sind Personen, die während der Zeit von 1.6.1946 und 15.5.1948 ihren Wohnsitz in Palästina hatten und die sowohl Wohnplatz als auch Unterhaltsmittel infolge des Konflikts von 1948 verloren haben, sowie deren Nachkommen in männlicher Abstammungslinie (⇒ Definition UNRWA).
AsylwerberInnen sind bei den folgenden Ausführungen nicht berücksichtigt. Bei ihnen muss erst festgestellt werden, ob sie einen Schutzstatus erhalten oder nicht. Es ist allerdings zu beachten, dass Schutzsuchende aus einem bestimmten Herkunftsstaat in einem Aufnahmeland in Rahmen von Gruppenanerkennungen den Flüchtlingsstatus erhalten können, in einem anderen hingegen ein Asylverfahren durchlaufen müssen. Geflüchtete aus dem Sudan werden zum Beispiel im Tschad generell als Flüchtlinge anerkannt, in Ägypten hingegen gelten sie zunächst als AsylwerberInnen. Statistiken und Grafiken zum Thema Asyl siehe ⇒ Asylanträge weltweit 2024
Alle Angaben zur Zahl der Flüchtlinge und anderer Schutzbedürftiger sind als Schätzungen zu betrachten.
Historische Daten zu Flüchtlingen sind in der UNHCR-Datenbank ab 1951 verfügbar, wobei in den ersten Jahren die Angaben unvollständig und ungenau sind und nur eine beschränkte Anzahl von Staaten umfasste. Zahlen für Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen (diese waren zuvor in der Kategorie Flüchtlinge enthalten) gibt es ab 2009 und für sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz ab 2018.
Eine Zu- bzw. Abnahme der Flüchtlingszahlen in den Statistiken kann auch durch eine bessere Datenerfassung bzw. die Aktualisierung von Daten verursacht sein.
Nicht in allen Staaten ist es möglich, sich als Flüchtling registrieren zu lassen. Es kann allerdings sein, dass geflüchtete Personen in solchen Staaten als ArbeitsmigrantInnen vorübergehend Sicherheit gefunden haben (z.B. in den Golfstaaten).
Die Lebensbedingungen von Flüchtlingen und anderer Schutzbedürftiger und die ihnen gewährten Rechte können sich erheblich unterscheiden.
Ein Teil der Flüchtlinge wurde vor kurzer Zeit vertrieben oder befindet sich immer noch auf der Flucht, bei anderen liegen Flucht und Vertreibung bereits mehrere Jahre zurück, oder sie haben, weil sie als Kinder von Flüchtlingen bereits im Aufnahmeland geboren wurden, die Flucht selbst nicht miterlebt.
Eine Person mit Flüchtlingsstatus kann im Aufnahmestaat Zugang zum Arbeitsmarkt, Sozialleistungen und Integrationsangeboten haben, Bewegungsfreiheit genießen und die Möglichkeit haben, nach einer bestimmten Zeit einen unbefristeten Aufenthaltstitel oder die Staatsbürgerschaft zu erhalten. Sie kann aber auch von oft unzureichenden Lebensmittelrationen internationaler Organisationen abhängig, vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, in der Mobilität auf einen bestimmten Ort (z.B. ein Flüchtlingslager) beschränkt sein und trotz jahrelangen Aufenthalts keine Sicherheit, im Land bleiben zu dürfen, haben.
Entwicklung der Flüchtlingszahlen
Ende Juni 2024 gab es laut UNHCR weltweit 26,6 Millionen Flüchtlinge, 5,4 Millionen Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen und 5,8 Millionen sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz.
Zu Beginn der 1990er-Jahre führten Kriege und gewaltsame Auseinandersetzungen unter anderem in Afghanistan, im Irak, in Ruanda, Burundi, Somalia, Äthiopien, Mosambik oder in Bosnien zu einer hohen Zahl an Flüchtlingen. Danach ging die Zahl der weltweit registrierten Flüchtlinge auf unter 9 Millionen im Jahr 2005 zurück. Vor allem durch die Konflikte in Syrien und im Südsudan erhöhte sich die Flüchtlingspopulation von 2014 bis 2017 auf etwa 20 Millionen. Durch den Krieg in der Ukraine ab 2022 und die Kämpfe im Sudan ab 2023 erfolgte ein weiterer Anstieg auf fast 27 Millionen.
Daten zu Flüchtlingen aus früheren Jahren sind in der UNHCR-Datenbank oft unvollständig und umfassten nur eine beschränkte Anzahl von Staaten. Könnte man die Zahlen mit denselben Kriterien und Möglichkeiten der Datenerhebung, wie wir sie heute haben, nochmals neu erfassen, würde sich für einige dieser Jahre vermutlich eine deutlich höhere Zahl an Flüchtlingen ergeben.
Die Zahl der Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen ist 2022 von 0,4 auf 5,1 Millionen und 2023 auf 5,9 Millionen angestiegen, 2024 im ersten Halbjahr dann wieder auf 5,4 Millionen zurückgegangen. In dieser Kategorie finden sich vor allem AfghanInnen (3,1 Millionen) und UkrainerInnen (1,9 Millionen).
Mitverantwortlich für den Anstieg der Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen 2022 und 2023 ebenso wie für den Rückgang 2024 waren Neuerfassungen der Daten zu im Iran und in Pakistan aufhältigen afghanischen Staatsangehörigen (vgl. Global Trends 2023, S.6; Mid Year Trends 2024, S.13).
Ende Juni 2024 gab es 5,8 Millionen sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz. Alle in der UNHCR-Datenbank unter dieser Kategorie aufscheinenden Personen stammten aus Venezuela und hielten sich in verschiedenen lateinamerikanischen und karibischen Staaten auf.
Herkunftsstaaten
Die folgenden Daten beziehen sich auf Flüchtlinge, Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen und sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz. Zusammengefasst werden diese Gruppen hier als Flüchtlinge und sonstige Schutzbedürftige bezeichnet.
Die meisten Flüchtlinge und sonstigen Schutzbedürftigen stammten zu Jahresmitte 2024 aus Syrien (6,3 Millionen), Venezuela (6,2 Millionen), der Ukraine (6,1 Millionen) und Afghanistan (6,1 Millionen). Andere Herkunftsstaaten mit mehr als einer Million geflüchteter Menschen waren der Südsudan, der Sudan, Myanmar und die Demokratische Republik Kongo.
Syrien war zu Jahresmitte 2024 (wie auch schon von 2014 bis 2022) der Staat mit der weltweit größten Flüchtlingspopulation.
Die Zahl der vor dem autoritären Regime und der katastrophalen wirtschaftlichen Lage ins Ausland geflüchteten Personen aus Venezuela nahm seit 2018 kontinuierlich zu.
Durch den im Februar 2022 begonnenen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine flohen mehr als 6 Millionen Menschen ins Ausland.
In den UNHCR-Daten scheint Afghanistan durchgehend von 1981 bis 2013 und dann wieder 2023 als der Herkunftsstaat mit den meisten Flüchtlingen auf. Die Zunahme der Flüchtlinge aus Afghanistan 2022 und 2023 war einerseits durch die Machtübernahme der Taliban im August 2022, andererseits durch eine Neuerfassung der Daten zu im Iran und in Pakistan aufhältigen AfghanInnen bedingt. Der Rückgang 2024 war wieder teilweise auf eine Datenberichtigung (zu AfghanInnen in Pakistan) zurückzuführen.
Die Zahl der aus dem Sudan stammenden Flüchtlinge durch die Kämpfe zwischen der sudanesischen Armee und den paramilitärischen Einheiten der RSF (Rapid Support Forces) stieg im ersten Halbjahr 2024 von 1,5 auf 1,8 Millionen an.
69 Prozent der Flüchtlinge und sonstigen Schutzbedürftigen befanden sich Ende Juni 2024 in einem Nachbarstaat, 19 Prozent in einem anderen Staat des Herkunftskontinents und 12 Prozent in einem Staat eines anderen Kontinents. 32 Prozent hielten sich in einem asiatischen, 26 in einem europäischen, 23 in einem afrikanischen und 18 in einem amerikanischen Aufnahmestaat auf.
Mehr als drei Viertel der SyrerInnen erhielten in Nachbarstaaten (vor allem Türkei, Libanon und Jordanien) Schutz, 20 Prozent in europäischen Staaten (die meisten davon in Deutschland).
Der Großteil der geflüchteten VenezolanerInnen wurde von anderen amerikanischen Staaten aufgenommen. In den USA gibt es zwar eine sehr hohe Anzahl an Asylsuchenden aus Venezuela, aber nur wenigen wurde ein Schutzstatus gewährt.
UkrainerInnen wurde vor allem in anderen europäischen Staaten meist temporärer Schutz gewährt. Die 1,2 Millionen vertriebenen UkrainerInnen in Russland befinden sich laut UNHCR in einer „flüchtlingsähnlichen Situation“.
Die meisten Geflüchteten aus Afghanistan und Myanmar hielten sich in einem Nachbarstaat auf (AfghanInnen im Iran und in Pakistan bzw. Personen aus Myanmar vor allem in Bangladesch).
Flüchtlinge aus afrikanischen Herkunftsstaaten fanden meist in einem Nachbarstaat Zuflucht. 37 Prozent der Geflüchteten aus Eritrea erhielten allerdings in einem europäischen Staat Schutz.
Bei irakischen Flüchtlingen gab es einen hohen Anteil von Personen, denen in europäischen Staaten Schutz gewährt wurde.
Aufnahmestaaten
Die folgenden Daten beziehen sich auf Flüchtlinge, Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen und sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz. Zusammengefasst werden diese Gruppen hier als Flüchtlinge und sonstige Schutzbedürftige bezeichnet.
Die Zahl der Flüchtlinge in vielen industrialisierten Staaten wird von UNHCR auf Basis der individuellen Anerkennungen in Asylverfahren der letzten 10 Jahre berechnet: „In the absence of Government figures, UNHCR has estimated the refugee population in many industrialized countries based on 10 years of individual asylum-seeker recognition.“ (Mid-Year Trends 2024, Annexes, Tabelle 1, Fußnote 2).
Ende Juni 2024 waren der Iran, die Türkei, Kolumbien und Deutschland die Staaten, welche weltweit die meisten Flüchtlinge, Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen und sonstigen Personen mit Bedarf an internationalem Schutz beherbergten.
Berücksichtigt man allerdings nur Flüchtlinge, waren die Türkei, Deutschland und Uganda die Staaten mit der höchsten Zahl an aufgenommenen Personen.
Die stärkste Zunahme der Flüchtlingsbevölkerung hatte im ersten Halbjahr 2024 der Tschad zu verzeichnen (von 1,10 auf 1,24 Millionen).
Von 2015 bis 2019 blieb die in der UNHCR-Datenbank angegebene Zahl der Flüchtlinge im Iran exakt gleich, weil anscheinend keine Datenaktualisierung stattgefunden hat. 2022 konnten sich afghanische Staatsangehörige, die sich bisher undokumentiert im Iran aufgehalten haben, bei den Behörden melden und erhielten dafür einen befristeten Schutz vor einer Abschiebung. Diese Personen wurden in der UNHCR-Statistik als „Personen in einer flüchtlingsähnlichen Situation“ aufgenommen, wodurch sich die Zahl der in dieser Kategorie aufscheinenden Menschen plötzlich von 28.000 im Jahr 2021 auf 2,66 Millionen im Jahr 2022 erhöhte.
Änderungen zur Zahl der Flüchtlinge und Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen in Pakistan sind teilweise auf eine von UNHCR durchgeführte Datenverifizierung zu AfghanInnen in Pakistan zurückzuführen.
Gemessen an der Bevölkerungsgröße des Aufnahmestaates hatten Mitte 2024 die Karibikinseln Aruba und Curaçao (VenezolanerInnen), der Libanon (SyrerInnen) und der Tschad (vor allem Personen aus dem Sudan) die meisten Flüchtlinge und sonstigen Schutzbedürftigen aufgenommen.
In den meisten wichtigen Aufnahmestaaten stammten Flüchtlinge und sonstige Schutzbedürftige überwiegend aus Nachbarstaaten, nur Deutschland und Frankreich hatten auch einen hohen Anteil von Geflüchteten aus weiter entfernten Staaten aufzuweisen.
Palästina-Flüchtlinge unter UNRWA-Mandat
Mitte des Jahres 2024 lag die Zahl der Flüchtlinge unter UNRWA-Mandat bei 5,98 Millionen. 1,58 Millionen von ihnen lebten im Gaza-Streifen, 919.000 im Westjordanland, 2,40 Millionen in Jordanien, 588.000 in Syrien und 493.000 im Libanon.
Anmerkungen
Der Großteil der in diesem Artikel verwendeten Daten (abgerufen am 25.10.2024) stammt aus der UNHCR-Datenbank Refugee Data Finder. Einige Zahlen, die dort nicht verfügbar sind (z.B. die Aufschlüsselung in Flüchtlinge und Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen) wurden den Anhängen (Excel-Tabellen) der jährlich erscheinenden Global Trends bzw. Mid-Year Trends Berichten entnommen. In den Grafiken sind die beiden Datenquellen als UNHCR Refugee Data und UNHCR Global Trends Annexes bezeichnet. Für Palästina-Flüchtlinge verwendet UNHCR Daten von UNRWA.
Flüchtlinge aus Palästina werden in einigen Staaten extra ausgewiesen, in anderen jedoch werden sie (zusammen mit Personen anderer Herkunft) unter Kategorien wie „staatenlos“ oder „unbekannt“ geführt.