Vorbemerkungen und Definitionen
Laut UNHCR gab es Ende 2023 117 Millionen Menschen, die aufgrund von Verfolgung, Konflikten, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen oder einer ernsthaft gestörten öffentlichen Ordnung gewaltsam vertrieben worden waren. Diese Kategorie der „forcefully displaced people“ umfasst Binnenvertriebene, Flüchtlinge, Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen, sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz, AsylwerberInnen und Palästina-Flüchtlinge unter UNRWA-Mandat.
Es sind also sowohl Personen erfasst, die innerhalb des eigenen Landes vertrieben wurden, wie auch Menschen, die in einen anderen Staat geflüchtet sind. Ein Teil von ihnen wurde vor kurzer Zeit vertrieben oder befindet sich immer noch auf der Flucht, bei anderen liegen Flucht und Vertreibung bereits mehrere Jahre zurück. Viele der gewaltsam Vertriebenen leben unter äußerst prekären Bedingungen, es gibt aber auch Geflüchtete, die dauerhaft Schutz, Sicherheit und soziale Absicherung in einem anderen Staat gefunden haben.
Binnenvertriebene: Personen, die durch bewaffnete Konflikte, Situationen allgemeiner Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen gezwungen wurden, ihren gewöhnlichen Wohnort zu verlassen, aber noch keine internationale Grenze überschritten haben.
Flüchtlinge: Personen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und dem Protokoll von 1967, der Flüchtlingskonvention der Organisation für Afrikanische Einheit von 1969, der in der Cartagena-Deklaration von 1984 enthaltenen Flüchtlingsdefinition oder nach dem UNHCR-Statut anerkannt wurden, und Personen, die einen komplementären oder temporären Schutzstatus erhalten haben.
Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen: Personen mit ähnlichen Schutzrisiken wie Flüchtlinge, denen aber aus praktischen und anderen Gründen kein Flüchtlingsstatus gewährt wurde.
Sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz: Personen, die sich außerhalb ihres Herkunftslandes befinden, typischerweise weil sie gewaltsam über internationale Grenzen vertrieben wurden, die nicht unter andere Kategorien (AsylwerberInnen, Flüchtlinge, Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen) fallen, aber vermutlich internationalen Schutz, inklusive Schutz gegen erzwungene Rückkehr, sowie temporär oder längerfristig Zugang zu Basisversorgungsleistungen bedürfen.
AsylwerberInnen: Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, aber noch keine Entscheidung über ihren Antrag erhalten haben.
Palästina-Flüchtlinge unter UNRWA-Mandat: Personen, die während der Zeit von 1.6.1946 und 15.5.1948 ihren Wohnsitz in Palästina hatten und die sowohl Wohnplatz als auch Unterhaltsmittel infolge des Konflikts von 1948 verloren haben, sowie deren Nachkommen in männlicher Abstammungslinie.
(siehe ⇒ Definitionen UNHCR, ⇒ UNRWA)
Für weitere Grafiken, Statistiken und Anmerkungen siehe auch ⇒ Flüchtlinge weltweit 2023, ⇒ Asyl weltweit 2023 und ⇒ Binnenvertriebene 2023
Zahl der gewaltsam vertriebenen Personen
Ende 2023 lag laut Angaben von UNHCR die Zahl der weltweit gewaltsam vertriebenen Menschen bei 117 Millionen. Dieser Wert setzt sich aus 68 Millionen Binnenvertriebenen, 26 Millionen Flüchtlingen, 6 Millionen Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen, 6 Millionen sonstigen Personen mit Bedarf an internationalem Schutz, 7 Millionen AsylwerberInnen und 6 Millionen Palästina-Flüchtlingen unter UNRWA-Mandat zusammen.
Betrachtet man nur die in der UNHCR-Datenbank vorhandenen Daten zu Vertriebenen, hat es den Anschein, als würde die Zahl immer weiter ansteigen und hätte zuletzt noch nie dagewesene Werte erreicht. Wenngleich in den letzten Jahren durch Kriege in Syrien, in der Ukraine, im Sudan, in Myanmar oder durch die Krise in Venezuela, zusätzlich zu den bereits seit vielen Jahren andauernden Konflikten in Afghanistan, Somalia oder in der DR Kongo, tatsächlich angestiegen ist, ergibt sich dennoch ein verzerrtes Bild, da für frühere Jahre oft nur unvollständige und ungenaue Daten vorhanden sind, ursprünglich nur Flüchtlinge (ab 1951) und Palästina-Flüchtlinge unter UNRWA-Mandat (ab 1952) erfasst wurden und andere Kategorien erst später hinzugefügt wurden (Binnenvertriebene ab 1989, jedoch erst ab 2009 mit genaueren Daten, AsylwerberInnen ab 1993 und sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz ab 2018).
Könnte man die Zahlen mit denselben Kriterien und Möglichkeiten der Datenerhebung, wie wir sie heute haben, nochmals neu erfassen, würde sich für frühere Jahre vermutlich eine um ein Vielfaches höhere Zahl an gewaltsam Vertriebenen ergeben.
Für den Anteil der gewaltsam Vertriebenen an der Weltbevölkerung ist auch zu beachten, dass 1951 2,5 Milliarden, 2000 6,1 Milliarden und 2023 8,1 Milliarden Menschen auf der Erde lebten.
Herkunftsstaaten
Syrien, Afghanistan, der Sudan und die Ukraine waren Ende 2023 die Staaten mit der höchsten Anzahl an gewaltsam vertriebenen Staatsangehörigen. Dazu gab es 15 weitere Staaten mit mehr als einer Million Vertriebener.
Für Syrien scheinen in den UNHCR-Daten 13,8 Millionen gewaltsam vertriebene Personen auf, davon waren 7,2 Millionen Binnenvertriebene und 6,3 Millionen Flüchtlinge außerhalb des Landes.
Die Zahl der 10,9 Millionen vertriebenen AfghanInnen inkludiert 4,2 Millionen Binnenvertriebene, 3,7 Millionen Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen (insbesondere im Iran), 2,8 Millionen Flüchtlinge und 0,3 Millionen AsylwerberInnen.
Der Großteil der durch die Konflikte im Sudan und in der Demokratischen Republik Kongo vertriebenen Menschen waren Binnenvertriebene, eine beträchtliche Zahl (1,5 bzw. 1 Million) waren aber auch Flüchtlinge vor allem in Nachbarstaaten.
4,1 Millionen ukrainische Staatsangehörige waren Flüchtlinge, 1,9 Millionen in einer flüchtlingsähnlichen Situation und 3,7 Millionen Binnenvertriebene.
Viele der Personen, die vor dem autoritären Regime und dem Wirtschaftskollaps in Venezuela geflüchtet sind, sind in der UNHCR-Statistik als „sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz“ geführt. 1,2 Millionen VenezolanerInnen warteten als AsylwerberInnen auf eine Entscheidung über ihren Antrag auf Schutzgewährung.
6,0 Millionen PalästinenserInnen waren bei UNRWA als Flüchtlinge registriert. Die Zahl der Binnenvertriebenen in Palästina betrug 1,7 Millionen. Schätzungsweise 1,2 Millionen Binnenvertriebene vor allem im Gaza-Streifen waren UNRWA-Flüchtlinge (vgl. Global Trends 2023, S.3, Anmerkung 1).
Den stärksten Zuwachs von Vertriebenen (von 4,2 auf 10,8 Millionen) gab es 2023 bei Staatsangehörigen des Sudans.
Die Zahl der in und aus der Ukraine vertriebenen Personen ging gegenüber dem Vorjahr wieder etwas zurück.
In Palästina stieg die Zahl der Binnenvertriebenen 2023 um 1,7 Millionen an. Da viele von ihnen bereits vorher in der Statistik als UNRWA-Flüchtlinge aufschienen, nahm die Gesamtzahl der Vertriebenen „nur“ um 0,5 Millionen zu.
Der Anstieg bei vertriebenen AfghanInnen von 2021 auf 2022 war teilweise durch eine Datenaktualisierung bei den Flüchtlingen im Iran bedingt.
Von den 117,3 Millionen gewaltsam Vertriebenen am Jahresende 2023 waren 59 Prozent Binnenvertriebene, 25 Prozent waren Geflüchtete in Nachbarstaaten, 10 Prozent hielten sich in anderen Staaten des Herkunftskontinents und 6 Prozent in Staaten eines anderen Kontinents auf.
Syrische Vertriebene waren zu 53 Prozent Binnenvertriebene, 36 Prozent fanden in Nachbarstaaten (Türkei, Libanon, Jordanien) und 12 Prozent in Staaten eines anderen Kontinents (vor allem Europa) Schutz.
In den Konflikten im Jemen, in Burkina Faso, Kolumbien, Äthiopien, Nigeria, der DR Kongo und im Sudan flüchteten Menschen vor allem innerhalb der Landesgrenzen.
Zwei Drittel der im Südsudan und die Hälfte der in Afghanistan vertriebenen Menschen hielten sich in Nachbarstaaten auf.
Von den Vertriebenen aus Venezuela lebten etwa je die Hälfte in Nachbarstaaten und in anderen amerikanischen Staaten.
Den höchsten Anteil von vertriebenen Personen, die sich in Staaten eines anderen Kontinents aufhielten, hatte von den Hauptherkunftsstaaten der Irak aufzuweisen (19 Prozent, meist in Europa).
37 Prozent der weltweit gewaltsam Vertriebenen hielten sich Ende 2023 in asiatischen, 36 in afrikanischen, 15 in amerikanischen und 13 Prozent in europäischen Staaten auf. Die überwiegende Mehrheit der Vertriebenen befand sich entweder als Binnenvertriebene im eigenen Land oder in einem anderen Staat des Herkunftskontinents.
Anmerkungen
Der Großteil der in diesem Artikel verwendeten Daten stammt aus der UNHCR-Datenbank Refugee Data Finder. Einige Zahlen, die dort nicht verfügbar sind (z.B. die Aufschlüsselung in Flüchtlinge und Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen) wurden den Anhängen der jährlich erscheinenden Global Trends-Berichten entnommen. In den Grafiken werden die beiden Datenquellen als UNHCR Refugee Data und UNHCR Global Trends Annexes bezeichnet. Für Binnenvertriebene und Palästina-Flüchtlinge verwendet UNHCR Daten von IDMC und UNRWA.
Flüchtlinge und AsylwerberInnen aus Palästina werden in einigen Staaten extra ausgewiesen, in anderen jedoch werden sie (zusammen mit Personen anderer Herkunft) unter Kategorien wie „staatenlos“ oder „unbekannt“ geführt.
Die Daten wurden am 20.6.2024 abgerufen.