Vorbemerkungen und Definitionen
Laut UNHCR gab es zu Jahresmitte 2024 123 Millionen Menschen, die durch Verfolgung, Konflikte, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen oder eine ernsthaft gestörte öffentliche Ordnung gewaltsam vertrieben worden waren. Diese Kategorie der „forcefully displaced people“ umfasst Binnenvertriebene, Flüchtlinge, Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen, sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz, AsylwerberInnen und Palästina-Flüchtlinge unter UNRWA-Mandat.
Es sind also sowohl Personen erfasst, die innerhalb des eigenen Landes vertrieben wurden, wie auch Menschen, die in einen anderen Staat geflüchtet sind. Ein Teil von ihnen wurde vor kurzer Zeit vertrieben oder befindet sich immer noch auf der Flucht, bei anderen liegen Flucht und Vertreibung bereits mehrere Jahre zurück. Viele der gewaltsam Vertriebenen leben unter äußerst prekären Bedingungen, es gibt aber auch Geflüchtete, die dauerhaft Schutz, Sicherheit und soziale Absicherung in einem anderen Staat gefunden haben.
Binnenvertriebene: Personen, die durch bewaffnete Konflikte, Situationen allgemeiner Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen gezwungen wurden, ihren gewöhnlichen Wohnort zu verlassen, aber noch keine internationale Grenze überschritten haben.
Flüchtlinge: Personen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und dem Protokoll von 1967, der Flüchtlingskonvention der Organisation für Afrikanische Einheit von 1969, der in der Cartagena-Deklaration von 1984 enthaltenen Flüchtlingsdefinition oder nach dem UNHCR-Statut anerkannt wurden, und Personen, die einen komplementären oder temporären Schutzstatus erhalten haben.
Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen: Personen mit ähnlichen Schutzrisiken wie Flüchtlinge, denen aber aus praktischen und anderen Gründen kein Flüchtlingsstatus gewährt wurde.
Sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz: Personen, die sich außerhalb ihres Herkunftslandes befinden, typischerweise weil sie gewaltsam über internationale Grenzen vertrieben wurden, die nicht unter andere Kategorien (AsylwerberInnen, Flüchtlinge, Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen) fallen, aber vermutlich internationalen Schutz, inklusive Schutz gegen erzwungene Rückkehr, sowie temporär oder längerfristig Zugang zu Basisversorgungsleistungen bedürfen.
AsylwerberInnen: Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, aber noch keine Entscheidung über ihren Antrag erhalten haben.
Palästina-Flüchtlinge unter UNRWA-Mandat: Personen, die während der Zeit von 1.6.1946 und 15.5.1948 ihren Wohnsitz in Palästina hatten und die sowohl Wohnplatz als auch Unterhaltsmittel infolge des Konflikts von 1948 verloren haben, sowie deren Nachkommen in männlicher Abstammungslinie.
Für weitere Grafiken, Statistiken und Anmerkungen siehe auch ⇒ Flüchtlinge weltweit 2024, ⇒ Asyl weltweit 2024 und ⇒ Binnenvertriebene 2024
Zahl der gewaltsam vertriebenen Personen
Zu Jahresmitte 2024 lag laut Angaben von UNHCR die Zahl der weltweit gewaltsam vertriebenen Menschen bei 123 Millionen. Dieser Wert setzt sich aus 72 Millionen Binnenvertriebenen, 27 Millionen Flüchtlingen, 5 Millionen Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen, 6 Millionen sonstigen Personen mit Bedarf an internationalem Schutz, 8 Millionen AsylwerberInnen und 6 Millionen Palästina-Flüchtlingen unter UNRWA-Mandat zusammen.
Ein Teil der UNRWA-Flüchtlinge in Palästina wurde seit 2023 auch zu Binnenvertriebenen (laut Schätzung von UNRWA ca. 1,2 Millionen Personen Ende 2023) und scheint daher in beiden Kategorien auf. In der Gesamtsumme der gewaltsam Vertriebenen Personen werden sie jedoch nur einmal gezählt.
Für die Zahl der Binnenvertriebenen wurden bis 2023 die Daten von IDMC (Internal Displacement Monitoring Centre) herangezogen, der Halbjahreswert für 2024 beruht auf einer Schätzung von UNHCR (vgl. UNHCR Mid-Year Trends 2024, S.2, Anmerkung 4).
Betrachtet man nur die in der UNHCR-Datenbank vorhandenen Daten zu Vertriebenen, hat es den Anschein, als würde die Zahl immer weiter ansteigen und hätte zuletzt noch nie dagewesene Werte erreicht. Wenngleich in den letzten Jahren durch Kriege in Syrien, in der Ukraine, im Sudan, in Myanmar oder durch die Krise in Venezuela, zusätzlich zu den bereits seit vielen Jahren andauernden Konflikten in Afghanistan, Somalia oder in der DR Kongo, tatsächlich angestiegen ist, ergibt sich dennoch ein verzerrtes Bild, da für frühere Jahre oft nur unvollständige und ungenaue Daten vorhanden sind, ursprünglich nur Flüchtlinge (ab 1951) und Palästina-Flüchtlinge unter UNRWA-Mandat (ab 1952) erfasst wurden und andere Kategorien erst später hinzugefügt wurden (Binnenvertriebene ab 1989, jedoch erst ab 2009 mit genaueren Daten, AsylwerberInnen ab 1993 und sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz ab 2018). Für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts (mit den beiden Weltkriegen) existieren keine Angaben zur Anzahl von vertriebenen Personen.
Könnte man die Zahlen mit denselben Kriterien und Möglichkeiten der Datenerhebung, wie wir sie heute haben, nochmals neu erfassen, würde sich für frühere Jahre vermutlich eine um ein Vielfaches höhere Zahl an gewaltsam Vertriebenen ergeben.
Bei der gestiegenen Zahl an gewaltsam Vertriebenen ist auch zu beachten, dass auch die Weltbevölkerung angestiegen ist: 1951 lebten 2,5 Milliarden, 2000 6,1 Milliarden und 2024 8,2 Milliarden Menschen auf der Erde.
Herkunftsstaaten
Für die Zahl der Binnenvertriebenen in den einzelnen Staaten wurden die von UNHCR erhobenen Daten verwendet („IDPs of concern to UNHCR“), da von IDMC (Internal Displacement Monitoring Centre) keine Halbjahresdaten vorliegen. UNHCR hat allerdings nicht für alle Staaten eigene Daten. Für diese Staaten (darunter Palästina, Türkei und Indien) wurden die IDMC-Angaben von Ende 2023 herangezogen.
Syrien, der Sudan, die Ukraine, Afghanistan und die Demokratische Republik Kongo waren Ende Juni 2024 die Staaten mit der höchsten Anzahl an gewaltsam vertriebenen Staatsangehörigen. Dazu gab es 14 weitere Staaten mit mehr als einer Million Vertriebener.
Für Syrien scheinen in den UNHCR-Daten 13,8 Millionen gewaltsam vertriebene Personen auf, davon waren 7,4 Millionen Binnenvertriebene, 6,2 Millionen Flüchtlinge außerhalb des Landes und 163.000 AsylwerberInnen.
Der Großteil der durch die Konflikte im Sudan und in der Demokratischen Republik Kongo vertriebenen Menschen waren Binnenvertriebene, jeweils mehr als eine Million waren aber auch Flüchtlinge oder AsylwerberInnen vor allem in Nachbarstaaten.
4,2 Millionen ukrainische Staatsangehörige waren Flüchtlinge und 1,9 Millionen in einer flüchtlingsähnlichen Situation. 3,7 Millionen Personen wurden innerhalb der Ukraine vertrieben.
Die Zahl der 9,6 Millionen vertriebenen AfghanInnen inkludiert 3,2 Millionen Binnenvertriebene, 3,1 Millionen Menschen in flüchtlingsähnlichen Situationen (insbesondere im Iran), 2,9 Millionen Flüchtlinge und 373.000 AsylwerberInnen.
Viele der Personen, die vor dem autoritären Regime und dem Wirtschaftskollaps in Venezuela geflüchtet sind, sind in der UNHCR-Statistik als „sonstige Personen mit Bedarf an internationalem Schutz“ geführt. 1,3 Millionen VenezolanerInnen warteten als AsylwerberInnen auf eine Entscheidung über ihren Antrag auf Schutzgewährung.
6,0 Millionen PalästinenserInnen waren bei UNRWA als Flüchtlinge registriert. Die Zahl der Binnenvertriebenen in Palästina betrug 1,7 Millionen. Schätzungsweise 1,2 Millionen UNRWA-Flüchtlinge vor allem im Gaza-Streifen waren auch intern Vertriebene (vgl. UNHCR Mid-Year Trends 2023, S.2, Anmerkung 1).
Von den 122,6 Millionen gewaltsam vertriebenen Menschen Mitte des Jahres 2024 waren 60 Prozent Binnenvertriebene, 25 Prozent waren Geflüchtete in Nachbarstaaten, 10 Prozent hielten sich in anderen Staaten des Herkunftskontinents und 6 Prozent in Staaten eines anderen Kontinents auf.
Syrische Vertriebene waren zu 54 Prozent Binnenvertriebene, 35 Prozent fanden in Nachbarstaaten (Türkei, Libanon, Jordanien) und 11 Prozent in Staaten eines anderen Kontinents (vor allem Europa) Schutz.
In den Konflikten im Jemen, in Kolumbien, Äthiopien, Burkina Faso, der Demokratischen Republik Kongo, Nigeria und im Sudan flüchteten Menschen großteils innerhalb der Landesgrenzen.
Zwei Drittel der im Südsudan und mehr als die Hälfte der in Afghanistan vertriebenen Menschen hielten sich in Nachbarstaaten auf.
Von den Vertriebenen aus Venezuela lebte die eine Hälfte in Nachbarstaaten, die andere in sonstigen amerikanischen Staaten.
Den höchsten Anteil von vertriebenen Personen, die sich in Staaten eines anderen Kontinents aufhielten, hatte von den Hauptherkunftsländern der Irak aufzuweisen (19 Prozent, meist in Europa).
36 Prozent der weltweit gewaltsam Vertriebenen hielten sich Mitte 2024 in afrikanischen, 35 in asiatischen, 16 in amerikanischen und 13 Prozent in europäischen Staaten auf. Die überwiegende Mehrheit der Vertriebenen befand sich entweder als Binnenvertriebene im eigenen Land oder in einem anderen Staat des Herkunftskontinents.
Anmerkungen
Der Großteil der in diesem Artikel verwendeten Daten stammt aus der UNHCR-Datenbank Refugee Data Finder. Einige Zahlen, die dort nicht verfügbar sind (z.B. die Aufschlüsselung in Flüchtlinge und Personen in flüchtlingsähnlichen Situationen) wurden den Anhängen der jährlich erscheinenden Global Trends bzw. Mid-Year Trends Berichten entnommen. In den Grafiken werden die beiden Datenquellen als UNHCR Refugee Data und UNHCR Global Trends Annexes bezeichnet.
In der UNHCR-Datenbank sind zu den Binnenvertriebenen sowohl die Zahlen von IDMC (Internal Displacement Monitoring Centre) wie auch eigene Daten von UNHCR („IDPs of concern to UNHCR“) zu finden. Von IDMC liegen allerdings keine Halbjahresdaten für 2024 vor. Eigene Daten von UNHCR wiederum gibt es nicht für alle Staaten. Für die Grafiken in diesem Artikel wurden für 2024 die Zahlen von UNHCR herangezogen, für die Staaten, für die keine Daten vorhanden sind, jene von IDMC (mit dem Stand von Jahresende 2023).
Für Palästina-Flüchtlinge verwendet UNHCR Daten von UNRWA.
Flüchtlinge und AsylwerberInnen aus Palästina werden in einigen Staaten extra ausgewiesen, in anderen jedoch werden sie (zusammen mit Personen anderer Herkunft) unter Kategorien wie „staatenlos“ oder „unbekannt“ geführt.
Die Daten wurden am 25.10.2024 abgerufen.